Die Technische Hochschule Rosenheim hat von der Firma Engel, einem Spezialisten für Oberflächenveredelung, eine moderne Spritzgießzelle erhalten, die ab sofort in Lehre und Forschung eingesetzt wird. Die Anlage umfasst eine vertikale Spritzgießmaschine vom Typ Insert 500V/130, einen Infrarotofen sowie einen Knickarmroboter Easix KR-10. Sie dient vor allem der Entwicklung und Anwendung nachhaltiger Materialien – insbesondere thermoplastischer, recycelbarer Verbundwerkstoffe sowie Naturfaser-basierter Lösungen.
Ein zentraler Forschungsschwerpunkt der Hochschule liegt im Bereich der Faserverbundwerkstoffe. Im Rahmen des Projekts „Holzbasierte Bioökonomie“ arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an neuen Materialien aus Zellulosefasern und Polypropylen (PP), die vergleichbare Eigenschaften wie Organobleche aufweisen und sich ebenso verarbeiten lassen. Ergänzt wird dieser Ansatz durch das Projekt ZIM – ReProHybrid, das gezielt auf Upcycling setzt: Ausgediente Stoßfänger von Fahrzeugen werden zerkleinert, zu Organoblechen verarbeitet und in der Spritzgießzelle mit weiteren recycelten Materialien hinterspritzt – ein Beitrag zur Kreislaufführung von Kunststoffen.
„Die TH Rosenheim hat eine große Bedeutung in der Forschung und Entwicklung, insbesondere im Bereich der Entwicklung von nachhaltigen Spritzgusslösungen und neuer Materialien“, sagt Dr. Johannes Kilian, Bereichsleiter Prozess- und Anwendungstechnik der Engel Gruppe. „Die Zusammenarbeit ist für uns von großer Bedeutung, da die Hochschule nicht nur für ihre Forschungsstärke im Bereich der Kunststoffverarbeitung bekannt ist, sondern auch für ihre praxisorientierte Ausbildung. Unsere Spritzgießzelle ermöglicht es, innovative Technologien und digitale Lösungen direkt in der Lehre zu integrieren und zudem eine breite Palette an Anwendungen auf ihre Kreislauftauglichkeit hin zu testen.“
Besonders intensiv erforscht die TH Rosenheim nachhaltige Materialien, insbesondere im Bereich der Naturfasern als Verstärkungsstoffe für Thermoplaste. Prof. Dr. Norbert Müller, Studiendekan für die Studiengänge Kunststofftechnik und Nachhaltige Polymertechnik, betont: „Die neue Anlage versetzt uns in die Lage, praxisnahe Untersuchungen durchzuführen und den Einsatz von nachhaltigen Materialien in technischen Anwendungen sowie im Bauwesen weiter zu erforschen.“ Durch das jüngst erhaltene Promotionsrecht im Bereich Advanced Building Technologies rückt das Bauwesen noch stärker in den Fokus der Hochschule. Dies ist laut Prof. Müller ein wichtiger Sektor, in dem weitere Forschung und Entwicklung zur Kreislaufführung der Materialien notwendig sind und in dem recyclebare Werkstoffsysteme auf Basis von naturfaserverstärkten Kunststoffen große Innovationspotenziale bieten. Durch den Einsatz von Faserverstärkungen, in Kombination mit einer Polymermatrix, können im Spritzgussverfahren Teile hergestellt werden, die eine hohe Festigkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht aufweisen. Diese Eigenschaften sind besonders vorteilhaft für strukturelle Anwendungen im Bau, wo Stabilität in Verbindung mit geringem Eigengewicht erforderlich ist. Gleiches gilt für die Herstellung komplexer Formen, die mit traditionellen Baumaterialien oft nicht umsetzbar sind. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für innovative architektonische Gestaltungen.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Digitalisierung. Die Hochschule nutzt Engels iQ process observer, um Produktionsdaten zu analysieren und mittels semantischer Verarbeitung für Machine-Learning-Ansätze nutzbar zu machen. „Die digitale Prozessüberwachung eröffnet neue Möglichkeiten, Produktionsprozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten“, erklärt Prof. Dr. Müller. Diese Kombination aus realer Technologie und digitaler Intelligenz will die Hochschule in künftigen Projekten weiter ausbauen.
Neben der Unterstützung von Lehre und Drittmittelforschung steht die Spritzgießzelle auch für anwendungsnahe Kooperationen zur Verfügung. Unternehmen und Forschungseinrichtungen können die Anlage nutzen, um neue Technologien zu erproben und innovative Anwendungen zu entwickeln.